26. SONNTAG im Jahreskreis

Erntedank

Evangelium nach Lukas (Lk 16,19-31)

 

Eigentlich ist Erntedank für uns ein problematisches Fest: Wofür sollen wir danken, wo wir doch im Überfluss leben? Wir leben in einer Überflussgesellschaft, in der uns alles überreich zur Verfügung steht. Die Regale in den Supermärkten quellen über. Die Folge ist sogar, dass viel Essen tonnenweise in den Müllcontainern landet. Und trotzdem breitet sich in unserer Gesellschaft Armut aus. In der Welt sterben viele durch Unterernährung und Wassermangel. Wir sind in der glücklichen Lage, materiell ein ruhiges Leben führen zu können und finden das selbstverständlich. Und trotzdem gibt es Undankbarkeit und Gedankenlosigkeit. Die Frage, wem wir unseren Überfluss verdanken, wird nicht mehr gestellt. Sind wir der reiche Mann im Evangelium? Ist ein Erntedankfest nicht ein Anlass zur Besinnung?

Es gibt schöne Sprüche über „Danken“ und „Dankbarkeit“: „Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens“ - „Dankbarkeit zu fühlen und sie nicht auszudrücken, ist wie ein Geschenk zu verpacken und es nicht zu verschenken“ - „Gehe nie aus einem Gespräch, ohne dem anderen die Gelegenheit zu geben, mit Dankbarkeit an dieses Gespräch zurückzudenken“ - „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind“.

Dankbarkeit ist also eine wesentliche Eigenschaft unseres Menschseins. Wo sie fehlt, läuft mit unserem Menschsein etwas schief. Sie hat etwas mit „Erkenntlich-Sein“ zu tun - anerkennen, dass andere uns etwas Gutes haben zukommen lassen und sich deswegen erkenntlich zeigen. Wir sind versucht zu meinen, wir wären gar nicht abhängig von anderen, wir können alles selbst, wir brauchen niemanden. Deswegen ziehen wir uns in die eigene Wohnung zurück, in unser Schneckenhaus. Denn: Danken? Wofür? Dankbarkeit wird sogar als Schwäche betrachtet.

Aber ein Dichter hat es so formuliert: „So reich waren wir noch nie wie heute – so habgierig aber waren wir auch nie wie heute. So satt waren wir noch nie wie heute – so unersättlich waren wir aber auch nie wie heute. So viel Zeit hatten wir noch nie wie heute – so gelangweilt aber waren wir noch nie wie heute.“ Ist das nicht, weil wir das Gefühl der Dankbarkeit nicht mehr kennen?

Dankbar sein heißt: Sich dessen bewusst sein, dass man (fast alles) anderen verdankt. Was man ist und was man hat. Ja sogar das eigene Leben: Dankbar, dass wir überhaupt da sind, dass wir Menschen um uns herum haben, die uns wohlgesinnt sind, dass wir lesen und schreiben, singen und tanzen können, dass wir eine Bildung bekommen haben, dass wir gerade diese Talente haben, dass wir nicht hungern müssen und Kleidung haben, dass wir einen Job haben, dass wir eine gute Familie haben ... dass wir überhaupt an einen Gott glauben können, der unser Glück will.....

Wir sagen zwar oft, ohne viel nachzudenken: „Gott sei Dank“. Vielleicht müssen wir diesen Spruch einmal umdrehen und sagen "Dank sei Gott", um stärker an eine Grundwahrheit erinnert zu werden: Unser ganzes Leben ist im Grunde ein verdanktes Leben – Geschenk von Gott und gleichzeitig Auftrag an uns, dafür Sorge zu tragen. Ich bin beschenkt. Ich bin mir gegeben – ein unverdientes Geschenk.

Dankbarkeit ist eine Lebenseinstellung, die Freude verbreitet. Nicht nur der Mensch dem ich für etwas danke empfindet Freude. Ich selbst empfinde dadurch Freude, weil ich die Erfahrung gemacht habe, beschenkt worden zu sein und das nun ausdrücken kann. Es entsteht dadurch eine Atmosphäre des Vertrauens, der Zuversicht.

Und deswegen können wir sagen: Das Erntedankfest lebt vom Wissen: Wir sind beschenkt. Das Erntedankfest lebt von der Zuversicht: Gott meint es gut mit uns. Das Erntedankfest stärkt unser Vertrauen zu Gott. So entsteht Lebensfreude.

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